Monatsgedanken Jänner 2015
Neujahr gilt als Fest. – das Fest ist aber, wenn man es recht bedenkt, sehr sonderbar. Der Neujahrstag wird nicht durch die Natur begründet. Kein Geschehen im Zusammenhang der Dinge trägt ihn; weder im Gang der Sonne noch in dem der Vegetation. … Aber auch die Kirche hat ihn nicht eingesetzt, sondern sie hat sich – und das nur zögernd – einem Brauch angeschlossen, den sie im bürgerlichen Leben vorfand, nämlich in der Zeitordnung der Römer. Neujahr ist ein Tag der Konvention: man hat sich darauf geeinigt, am ersten Jänner solle das neue Jahr beginnen.
Es ist ein sonderbarer Tag; und sonderbar ist auch die Weise, wie sich die Menschen an ihm benehmen. Eigentlich sollte man denken, sie hielten inne und würden ernst. Es ist doch ein Stück Leben vergangen, und zwar ein beträchtliches.
Bedenke: Als Gott mich schuf, hat Er mit mir etwas im Sinn gehabt. Er hat gewollt, ich solle zu etwas werden, das nicht nur für mich, sondern auch für die Welt Unersetzbares bedeuten würde, ja an dem Er selbst Freude haben könne. Die Schrift nennt es das Gott-Ebenbild. …
Woher erfahre ich aber, was Er von mir verlang? Wie komme ich hierüber mit ihm ins Einvernehmen? Durch die Situation, in die Er mich jeweils stellt.
Romano Guardini, Nähe des Herrn, S. 76 ff
Siehe auch: www.osfs.eu Ein Wort zum Tag