Bei einem meiner ersten Besuche in der Annakirche fand ich in dem Gotteslob, in dem ich blätterte, ein Gebetsbildchen.
Der Text sprach mich so sehr an, dass ich nicht anders konnte, als es mitzunehmen.
Natürlich dachte ich auch darüber nach, ob es jemand vermissen würde, gar zurückkommen, um es zu suchen und ob ich einen Diebstahl begangen hätte.
Aber der Fund bedeutete damals eine langersehnte Antwort auf eine noch nicht einmal klar formulierte Frage, sodass ich hoffte, dieser jemand würde es mir unter diesen Umständen schon gönnen.
O Seele, suche Dich in Mir,
und, Seele, suche Mich in Dir.
Du bist Mein Haus und Meine Bleibe,
bist Meine Heimat für und für;
Ich klopfe stets an Deine Tür,
dass Dich kein Trachten von Mir treibe.
Und meinst Du, Ich sei fern von Dir,
dann ruf Mich, und Du wirst erfassen,
dass ich Dich keinen Schritt verlassen:
Einander sind Erfüllung Wir.
Teresa von Avila
(Übersetzung Erika Lorenz; letzte Strophe abgewandelt)
All diese Zeit hat mich dieses Gebet treu begleitet, und als ich kürzlich wieder einmal Zuflucht dazu nahm, kam mir unversehens ein neuer Gedanke (denn es ist ja so, dass man jedes Ding von mehr als einer Seite sehen kann):
Was, wenn das Zettelchen damals absichtlich zurückgelassen wurde, damit es gefunden wird und damit es einem anderen Menschen Freude und Beistand bringt?
Auf jeden Fall möchte ich mich bei dem oder der Unbekannten sehr herzlich bedanken. Und selbst wenn die Spende unfreiwillig war, vertraue ich darauf, dass sie oder er wiederum anderswo eine glückliche Entdeckung macht!
Das Original-Beichtbild stammt vom Canisiuswerk Wien und enthält ein Bild von Sieger Köder: Die Frau am Jakobsbrunnen.